Scham hält uns davon ab, uns zu zeigen

Kenne deinen Feind

Scham ist das sehr starke Gefühl, das in uns auftaucht, wenn wir glauben, dass das, was oder wie wir sind, nicht in Ordnung ist und dass es niemand jemals sehen sollte. Es ist das Gefühl, wenn wir uns wie ertappt fühlen und am liebsten im Erdboden verschwinden würden. Scham ist so machtvoll, weil es an unserem Grundbedürfnis der Zugehörigkeit rüttelt. Als soziale Wesen ist es überlebenswichtig dazuzugehören. Die Scham flötet uns aber ins Ohr „Du nicht. Du gehörst nicht dazu. Du bist defekt. Lass es besser keinen sehen.“

Um uns von Scham nicht in unserem Leben ausbremsen zu lassen und nicht Teile von uns in den Kerker zu werfen, damit sie ja niemand sieht, brauchen wir Mut und Schamresilienz. Ein wichtiger Bestandteil von Schamresilienz, das heißt ein guter und konstruktiver Umgang mit Scham, ist zu wissen, wann und wo und wie Scham bei uns zuschlägt. Scham empfindet jeder, aber bei welchen Themen sie anspringt und wie wir reagieren, ist individuell verschieden. Um nicht aus dem Blauen heraus erwischt zu werden, tut es gut, uns in dieser Sache selbst zu kennen.

Dr. Linda Hartling beschreibt drei verschiedene Reaktionsweisen auf Schamgefühle: Attacke, Rückzug und Einschmeichlung oder auf englisch move against, move away und move toward. Wenn wir dazu neigen bei Scham zu attackieren, versuchen wir, die Macht zurückzuerobern und gehen dabei auch über Leichen bzw. über verletzte Gefühle hinweg. Wir werden aggressiv und beschämen den anderen zurück. Wenn wir uns eher zurückziehen im Falle von Scham, dann verstecken wir uns und unsere Wahrheit, wir bringen uns selbst zum Schweigen und haben Geheimnisse. Im Falle der Einschmeichlung versuchen wir den anderen auf unsere Seite zu holen, indem wir uns anbiedern und versuchen zu gefallen. Das geht meistens auf Kosten unseren Selbstrespekts.

Wir reagieren nicht immer gleich, aber uns zu beobachten und zu wissen, wie wir wann reagieren, kann uns helfen, beim nächsten Mal einen anderen Weg einzuschlagen. Wenn ich zur Attacke neige, dann wäre es ein erster Schritt, vielleicht nicht anzugreifen, sondern zuzulassen, dass ich die unangenehmen Gefühle überhaupt erst einmal wahrnehme. Als Gegenmittel zum Rückzug hilft zumindest zu versuchen sich zu öffnen. Bei Einschmeichlung könnten wir üben, die Spannung auszuhalten und nicht dem anderen nach dem Mund reden. Frag dich, was die mutige Reaktion in diesem Moment wäre. Nicht die automatische. Und schon hat die Scham uns nicht mehr ganz so fest im Griff.

Unsere Reaktionen auf Schamgefühle zu kennen, ermöglicht es uns, uns zu befreien und mit offenerem Herzen im Leben zu stehen.

Möchtest du mehr zu dem Thema Scham hören? Dann schau in mein Youtube- Video, in dem ich mehr über das Gefühl Scham und Schamresilienz erzähle: