Wie Perfektionismus uns davon abhält, gesehen zu werden
Wenn ich alles richtig mache, kann mir niemand etwas
Die Angst vor Ablehnung ist tief verwurzelt in uns Menschen. Wir gehören einer sozialen Spezies an und wollen, ja müssen sogar, zu einer Gruppe dazuzugehören. Deswegen sind wir ganz fein darauf eingestellt, Signale der Ablehnung sofort zu erkennen und darauf zu reagieren. Das macht Sinn, aber in der heutigen Zeit leben wir nicht mehr in einer Gruppe von 30 Individuen, sondern in vielen und viel größeren und sehr unterschiedlichen Gruppen und jede dieser Gruppen sendet uns unterschiedliche Signale, was sie von uns erwartet. Dem können wir gar nicht gerecht werden, doch mit Perfektionismus versuchen wir es trotzdem.
Beim Perfektionismus geht es um den zum Scheitern verurteilten Versuch, alles richtig zu machen, unangreifbar, ja eben perfekt zu sein, auf allen Ebenen. Dabei gibt es individuelle Schwerpunkte und Ideen davon, wie man perfekt sein könnte, aber was alle gemeinsam haben, ist, dass es nicht darum geht, seine Sache möglichst gut zu machen und über sich hinauszuwachsen. Es geht darum, keine Fehler zu machen und keine Schwäche zu zeigen. Das ist unglaublich einengend und anstrengend. Vollzeit-Perfektionist:innen verbindet eine tief sitzende Sehnsucht, loslassen zu können und endlich einmal zu entspannen. Aber das geht nicht, denn das Furcht-System ist auf Hochtouren. Bei jedem Handschlag lauert erneut die Gefahr, Fehler zu machen und dafür hinterher angeprangert zu werden: Was gebe ich meinen Kindern zu essen? Ist mein Hund genug ausgelastet? Sieht mein Zuhause schön aus? Kümmere ich mich genug um meine Beziehung, damit ich mir hinterher nicht vorwerfen muss, etwas versäumt zu haben, wenn ich verlassen werde? Lebe ich so, dass mir niemals jemand einen Vorwurf machen kann?
Dieses Vorhaben ist unmöglich. Perfektion existiert nicht. Sie bleibt unerreicht. Und mal ganz ehrlich, wie wirkt vermeintliche Perfektion von Außen auf dich? Findest du solche Menschen anziehend und einladend? Fühlst du dich wohl neben so jemandem?
Unsere unvollkommene Menschlichkeit voller Makel und Fehler macht uns erst zu Individuen, mit denen man sich verbinden kann, in denen man sich selbst sieht und sich verbunden fühlt. Deswegen möchte ich dich ermuntern: fröne dem Perfektionismus nicht weiter, sondern lasse dich auf dich und deine Menschlichkeit ein- hab den Mut.
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